Mathias Michel, Jahrgang 1948, ist einer der profiliertesten und erfolgreichsten AV-Produzenten im deutschsprachigen Raum. Seine berufliche Laufbahn begann er als Puppenspieler im Salzburger Marionettentheater, für das damals auch Herbert Karajans Bühnenbildner tätig war. Hier lernte er die Welt der Imagination, der Effekte kennen. Wichtige Anregungen vermittelte ihm auch die Tätigkeit als Beleuchter am Münchner Gärtnerplatztheater. Anfang der siebziger Jahre wagte er, beflügelt vom ersten Auftrag für eine AV-Schau über die Kelten zur 1. Salzburger Landesausstellung, den Schritt vom Autodidakten in die Selbstständigkeit – eine Entscheidung zu einer Zeit, als es weder das Berufsbild des AV-Produzenten noch eine entsprechende Ausbildung gab. In über dreißig Jahren hat er dieses Medium in Bezug auf Gestaltung und Technik immer weiter perfektioniert. Sein Unternehmen MM-Vision steht für mehr als 150 AV-Installationen in Museen, kulturellen Einrichtungen und großen Firmen. Seine AV-Shows erhielten internationale Preise und Auszeichnungen. Bis 2006 war Mathias Michel Präsident des Diaporama Clubs International – heute AV-Dialog, ein Verein für audiovisuelle Kommunikation. www.mm-vision.com
Mathias Michel wirft einen Blick zurück auf ie goldenen Jahre der Dia-Audiovision. Dabei zeigt er Entwicklungen historisch auf und zieht Parallelen und Vergleiche zur modernen digitalen Audiovision.
Deine audiovisuellen Wurzeln liegen in der analogen Dia-AV. Was hat sich durch den Einzug der digitalen Technik geändert, was schätzt du am meisten und wo siehst du Gefahren oder Probleme?
Mathias Michel: Anfang der siebziger Jahre begann ich ernsthaft, mich mit der Dia-Audiovision zu beschäftigen. Wenn ich auf solch einen langen Zeitraum zurückblicke, dann lag die Faszination dieses Mediums schon immer in der besonderen Qualität der Bilder begründet. Sie war ungleich stärker als bei einem vergleichbaren Film. Kein Flimmern, keine Kratzer, keine durchlaufenden Striche. Vor allem die Auflösung war bedeutend höher. Besonders, wenn man sich das Standbild eines Filmes ansah, wurde der Unterschied noch gravierender. Daraus resultierte eine besondere Ruhe, eine ganz andere Wahrnehmungsweise als beim vergleichbaren Film. Aber trotz der Ruhe war es nie Stillstand. Denn die Bilder lebten, weil sie überblendet wurden, sich dadurch veränderten und abwechselten. Das Geheimnis lag für mich darin, die Zeiträume richtig zu gestalten und dem Zuschauer immer genügend Zeit zu lassen, ein Bild wahrzunehmen, ohne es jedoch zum Stillstand kommen zu lassen. Ein weiterer Vorteil bestand neben den bereits erwähnten Qualitätskriterien in der viel günstigeren Herstellung: Filmen bedeutet noch immer einen ungleich höheren Zeitaufwand als vergleichbares Fotografieren.
Aber neben diesen rein kalkulatorischen Erwägungen zeichnet sich die Dia-AV auch zu heutigen digitalen Zeiten durch eine ganz andere Sprache aus. Das heißt, ich kann in kürzerer Zeit viel mehr vermitteln als mit vergleichbarem Film. Denn ich muss hier keine szenische Handlung erfinden, sondern kann auch Dinge zeigen, die nicht ohne Weiteres filmbar sind. Zum Beispiel kann ich bei geschichtlichen Themen historische Fotos oder Gegenstände in Landschaften einbinden, und schon entstehen die vergangenen Zeiten vor den Augen des Betrachters.
Grundsätzlich war die analoge Technik von der Apparatur her sehr aufwendig. Für eine normale analoge Diaschau sind zwar grundsätzlich bei Überblendung nur zwei Projektoren notwendig. Doch schon sehr früh erkannte ich, dass ich mindestens einen dritten Projektor brauchte, um das sogenannte endlose Bild zu erzeugen, auf das ich später noch zu sprechen kommen möchte. Im Idealfall arbeitete ich bei einer Projektion auf einer Fläche mit vier Projektoren, da ich hier genug collagenartige Spielmöglichkeiten hatte und auch die Magazine genügend Kapazität aufwiesen, um zum Beispiel eine 20-Minuten-Produktion ohne Magazinwechsel durchlaufen zu lassen. Bei der neuen digitalen AV-Technik ist es von den Geräten her viel einfacher geworden, wenngleich die Herstellung nach meiner Erfahrung mindestens genauso aufwendig ist. Die Wiedergabequalität ist hervorragend, die Vorteile gegenüber den analogen Zeiten sind nicht mehr zu bestreiten: kein Verblassen der Dias mehr, kein Verdrecken, kein Ploppen der Schärfe. Ein echter Fortschritt. Die Gefahr sehe ich nur darin, dass nun, da alles machbar ist, auch alles gemacht wird. Das bezieht sich nicht nur auf das Einbringen von Filmen, sondern auch auf das wahllose Ausnutzen der technischen Finessen, die fast jedes Computerprogramm heutzutage bietet. Es erinnert mich ein wenig an die Zeiten des Schmalfilms, als der Amateur glücklich war, zoomen zu können und somit permanent zwischen Totale und Nahbereich hin- und herfuhr oder mit der Kamera wahllos von unten nach oben oder von links nach rechts schwenkte.
All das hat mit Gestaltung nicht sehr viel zu tun, und einen solchen beliebigen Einsatz aller technischen Möglichkeiten sehe ich auch heute wieder als Gefahr für das Medium. Dennoch lassen sich mit heutiger Technik viele Effekte, die früher nur mit enormem Aufwand machbar waren, sehr gut und viel einfacher realisieren. Schon zu analogen Zeiten arbeitete ich mit Motorzooms und Motorspiegelsteuerungen, aber weniger um große Effekte zu erzeugen, sondern um oft nur subtile Veränderungen hervorzurufen, beispielsweise einen sich unmerklich bewegenden Sternenhimmel. Man sollte dabei die Bewegung nicht einmal richtig wahrnehmen, vielmehr wollte ich nur die Fantasie ein wenig anstoßen. Derartige Effekte lassen sich heute sehr viel einfacher und mit faszinierender Wirkung durchführen. So ist letztendlich die Entwicklung für das Medium sehr gut, vor allem wenn man dabei bedenkt, dass die Gestaltungsmaximen der alten Dia-AV auch heute noch ihre volle Berechtigung haben. …
>> Das vollständige Interview können Sie im Buch auf Seite 169 nachlesen.